Oral History Projekt der M3a

Weiss jemand, was ein Tornister ist?

Bezeichnungen wie diese machten Lernende der Abschlussklasse M3a im Gespräch mit Angehörigen und Bekannten stutzig. Begriffe fielen, die aus einer anderen Zeit stammen, damals jedoch selbst Kindern geläufig waren. Diese Zeit lebt in den Erinnerungen von Menschen weiter. In ihren Erzählungen gelangt sie ins Hier und Jetzt.

So lässt sich aus heutiger Perspektive nachvollziehen, wie es war, als während des Zweiten Weltkriegs Militärflieger über das eigene Haus flogen. Wie es war, bei Kriegsende den „fremden Mann“ richtig kennenzulernen, der im eigenen Haus erschien – einen zuvor stets abwesenden Vater, beschäftigt als Soldat an den Schweizer Grenzen.

Oral History

Im Geschichtsunterricht – das Fach wird an der KBL von den Berufsmaturitätsklassen im letzten Schuljahr besucht – wird der Umgang mit Quellen geübt. Bei den Quellen handelt es sich um Zeugnisse aus vergangenen Tagen: Briefe, Urkunden, Gemälde etc.

Zu Ereignissen aus der jüngeren Geschichte lassen sich auch Zeitzeuginnen und Zeitzeugen befragen. So wissen nicht nur jene auf der anderen Seite des grossen Teichs, wo sie waren und was sie taten, an jenem Septembertag 2001, als vor laufender Kamera die Türme des World-Trade-Centers in sich zusammenbrachen. Welche Tätigkeit sie allenfalls unterbrachen, den Blick auf einen Bildschirm gebannt.

Im Fokus von Oral History stehen die subjektiven Erinnerungen von Menschen, ihre persönliche Wahrnehmung von Ereignissen. Geschichte ist ein Konstrukt. Was wir heute als wegweisend erachten, fusst nicht zuletzt auf den Geschichten vieler, dem Nebeneinander ihrer Wahrnehmungen und Deutungen. Die subjektiven Aussagen einzelner sind in der Geschichtswissenschaft jedoch mit Vorsicht zu begutachten. Erinnerungen verändern sich. Nicht jedes Schicksal lässt sich verallgemeinern. Deshalb wurden die Interviews in der Projektdurchführung durch Recherchen ergänzt.

Züri brennt, ein Börsencrash, die Einführung des Frauenstimmrechts und die Gründung neuer Staaten

Wie gestaltete sich die Arbeit in einem kaufmännischen Beruf während der Börsenhausse in den Achtzigerjahren, als die Börsenabrechnungen noch mit der Schreibmaschine erstellt wurden? Und wie veränderte sich die Stimmung, als es 1987 zum Crash kam?
Weshalb verlangte die Jugend 1968 und in den Achtzigern nach autonomen Räumen? Und wie reagierte die Stadt Zürich auf die Anliegen der Demonstrierenden?
Wie fühlte es sich an, als Schweizerin 1971 erstmals einen Stimmrechtsausweis zu erhalten?
Was ging in den Köpfen der Menschen vor sich, als 1989 die innerdeutsche Mauer fiel und es zur Wiedervereinigung Deutschlands kam?
Und wie beeinflusste der Zerfall Jugoslawiens und die Gründung neuer Staaten auf dem Balkan die Lebenswege der Bevölkerung?
Im Rahmen ihrer abschliessenden Projektarbeit widmete sich die M3a einer Vielzahl von Themen, nahm die Fährten unterschiedlichster Menschen und deren Geschichten auf.

Zurück zu dem Tornister: Damit ist der fellüberzogene Rucksack der Schweizer Soldaten zur Zeit des Zweiten Weltkriegs gemeint. In diesem wurde der Kaputt verstaut, der Militärmantel.

Die aus dem Projekt hervorgegangenen schriftlichen Porträts werden aktuell im Entrée der KBL ausgestellt.